Neue Leitlinie rückt zugrunde liegende Erkrankungen stärker in den Fokus für das Vorhofflimmern
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat ihre Leitlinien zur Behandlung von Vorhofflimmern aktualisiert, mit einem neu strukturierten Ansatz für diese komplexe, multifaktorielle Erkrankung.
Ein zentraler Bestandteil des Managements von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern ist die Identifizierung und Behandlung von Begleiterkrankungen und Risikofaktoren. Diese Maßnahmen bilden die Grundlage für alle weiteren Behandlungsaspekte.
Es nicht nur sinnvoll, Begleiterkrankungen gleichwertig mit Rhythmusstörungen zu behandeln, sondern dass dies entscheidend für den Therapieerfolg ist. Komorbiditäten tragen maßgeblich zum Entstehen und Wiederauftreten von Vorhofflimmern bei, weshalb ein dynamischer Ansatz zur Behandlung dieser Erkrankungen „der Schlüssel für den langfristigen Behandlungserfolg“ ist.
Klasse-I-Empfehlung
Aufgrund überzeugender Evidenz wurden zahlreiche Ziele im Umgang mit Komorbiditäten und Risikofaktoren bei Vorhofflimmern mit einer Klasse-I-Empfehlung versehen, darunter Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Adipositas, Diabetes, Alkoholkonsum und körperliche Aktivität. SGLT2-Inhibitoren sollten allen Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern angeboten werden. Diese Empfehlung gilt als neue Klasse-I-Empfehlung. Ein Behandlungsversagen, schlechte Ergebnisse und unnötige Kosten drohen, wenn diese Komorbiditäten nicht aggressiv angegangen werden. Auch die Behandlung der Schlafapnoe wird als wichtig erachtet, wobei die Evidenz hier nur eine Klasse-IIb-Empfehlung erlaubt.
Die Kontrolle von Komorbiditäten ist keine neue Idee. Bereits die 2023 gemeinsam von der American Heart Association (AHA) und dem American College of Cardiology (ACC) herausgegebenen Leitlinien betonten die Bedeutung der Behandlung von Begleiterkrankungen.
Komorbiditäten an erster Stelle
In den neuen ESC-Leitlinien rückt die Behandlung von Komorbiditäten in den Vordergrund. Dies spiegelt sich im neuen Ansatz mit dem Akronym AF-CARE wider, bei dem das „C“ für Komorbiditäten steht. Komorbiditäten werden nun in jedem spezifischen Behandlungspfad priorisiert, etwa bei neu diagnostiziertem, paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern. Der erste Schritt in diesen Pfaden ist stets die Bewertung der Komorbiditäten, gefolgt von der Schlaganfallprävention durch Antikoagulation (Schritt A).
A: Antikoagulation und Blutungsrisikomanagement
Für die Antikoagulation gilt, dass direkte orale Antikoagulanzien außer bei Patientinnen und Patienten mit mechanischen Herzklappen oder Mitralstenose verwendet werden sollten. Dies gilt vor allem für Menschen mit einem CHA2 DS2-VASc-Score von 2 oder höher, aber auch bei einem Score von 1 sollte Antikoagulation in Betracht gezogen werden.
R: Reduktion von Symptomen
Die Wege zur Linderung der Symptome und zur Rhythmuskontrolle variieren je nach Art des Vorhofflimmerns.
E: Regelmäßige Überprüfung und Risikofaktoren-Screening
Der Schritt zur dynamischen Neubewertung umfasst die regelmäßige Überprüfung auf neue modifizierbare Risikofaktoren, sowohl im Hinblick auf Begleiterkrankungen als auch auf das Schlaganfall- und Blutungsrisiko.
Während die Bedeutung der Risikofaktorenbehandlung bereits in früheren Leitlinien hervorgehoben wurde, liegt der Schwerpunkt nun stärker auf der Bekämpfung von Komorbiditäten, um eine nachhaltige Kontrolle des Vorhofflimmerns zu erreichen. Der Erfolg dieser Strategie hängt von einer multidisziplinären Zusammenarbeit ab, die darauf abzielt, Auslöser von Vorhofflimmern sowie Komplikationsrisiken zu minimieren.
Personenzentrierter Ansatz für alle Patientinnen und Patienten
Eine der bedeutendsten neuen Empfehlungen lautet, alle Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern nach dem personenzentrierten, integrierten AF-CARE-Ansatz zu behandeln, unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe oder Risikoprofil.
Diese Änderungen verdeutlichen die zunehmende Anerkennung des Zusammenhangs zwischen der Kontrolle von Begleiterkrankungen und der Behandlung von Vorhofflimmern.
Erstmals wird Vorhofflimmern nicht nur als Rhythmusstörung, sondern als komplexe Erkrankung anerkannt, die einen ganzheitlichen und multidisziplinären Behandlungsansatz erfordert.